- Ungarn: Aufstand
- Ungarn: AufstandDie ungarischen Altstalinisten um Parteichef Rákosi verweigerten auch nach dem XX. Parteitag der KPdSU eine Kurskorrektur, sodass sich die innenpolitische Lage im Frühsommer 1956 zuspitzte. In dem Bemühen, zu einem Ausgleich mit dem Jugoslawien Titos zu gelangen und ein Übergreifen der polnischen Streikbewegung auf Ungarn auszuschließen, zwang die Kremlführung Rákosi am 18. Juli zum Rücktritt und bestimmte Ernǫ Gerǫ zum neuen Ersten Sekretär der ungarischen Kommunisten (MDP). Die Rehabilitierung der Opfer der Stalinzeit und das Versprechen, die Versorgungslage zu verbessern, konnte aber die von Studenten und Intellektuellen auf die Arbeiterschaft übergreifende Unzufriedenheit nicht abbauen.Der Versuch der Polizei, am 23. Oktober eine Sympathiekundgebung für Polen gewaltsam zu beenden, löste einen spontanen Volksaufstand aus. Der in der Öffentlichkeit großes Ansehen genießende Kommunist Imre Nagy (1896-1958), der als Vertreter eines »neuen Kurses« in ständiger Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Flügel der MDP stand, trat als neuer Ministerpräsident an die Spitze des Aufstands; seiner Regierung gehörten auch prominente Nichtkommunisten an. János Kádár (1912-90) übernahm die Reorganisation der MDP. Bis zum 27. Oktober hatten sowjetische Truppen die Ruhe wiederhergestellt.Nagys Programm, das reformsozialistische Ungarn nach dem Abzug der Sowjetarmee in eine parlamentarische Demokratie und in die Neutralität zu führen, versetzte die von den Altstalinisten zur Militärintervention aufgeforderte Kremlführung in Alarmbereitschaft. Während die Weltöffentlichkeit durch die Sueskrise abgelenkt war, rückten neue Panzerverbände nach Ungarn ein. Als Proteste und Verhandlungen über den Vormarsch kein Ergebnis brachten, erklärte Nagy am 2. November 1956 den Austritt aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität Ungarns. Das von Aufständischen und Teilen der Armee verteidigte Budapest fiel nach blutigen Straßenkämpfen am 10./11. November 1956.Selbst nach den geschönten offiziellen Zahlen forderten die Kämpfe 3000 Tote und 13000 Verletzte; über 4000 Gebäude wurden zerstört. 200000 Ungarn gingen ins Exil. Über 20000 Personen wurden in Gefängnisse und Tausende in sowjetische Arbeitslager verbracht. Unter den mehr als 2000 nach Sonderverfahren Hingerichteten befand sich auch Nagy, der zunächst in der jugoslawischen Botschaft Asyl erhalten hatte.Als Ministerpräsident und Erster Sekretär einer neuformierten Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) hatte der in zwischen prosowjetische Kádár mit harter Hand den geforderten »Normalisierungskurs« durchzusetzen. Es gelang ihm aber allmählich, den nach den unbarmherzigen Vergeltungsmaßnahmen eingetretenen Vertrauensverlust wettzumachen, die materielle Versorgung zu verbessern und mit einem vorsichtigen Liberalisierungskurs auch Voraussetzungen für die spätere Demokratiebewegung zu schaffen.
Universal-Lexikon. 2012.